Perspektiven Österreichs
Was kann von der neuen Koalition, von der neuen Regierung
erwartet werden?
Der Kreis der Regierungsfähigen wird größer; das Alter der
Regierungsmitglieder ist gesunken, derzeit ist die jüngste Regierungsmannschaft
seit 1945 im Einsatz. Die Professionalität muss erst unter Beweis gestellt
werden, schließlich sind die Grünen in einem einzigartigen Akt vom ausserparlamentarischen Dasein direkt in
Regierungsverantwortung gestoßen worden.
Es liegt an Kurz, die die nationalen Interessen im Auge zu
behalten und als politische Leitlinie zu verfolgen, wiewohl es keine
ausformulierten und beschlossenen nationalen Sicherheits- und Interessensplan
gibt.
Beim Themenbereich Migration-Integration-Sicherheit wird
eine konsequente Kurz-Linie zu beobachten sein; die Eckpunkte: Sicherung der
EU-Aussengrenzen, Beendigung der illegalen Migration
mit konsequenter Rückführung der abgelehnten Asylwerber, Einrichtung von
Abschiebezentren , Durchführung von Abschiebehaft; dieser Kurs wurde jüngst im
Burgenland bestätigt, wobei das überraschend mäßige Abschneiden der ÖVP darauf
zurückzuführen ist, dass die Burgenland-ÖVP in Fragen von Sicherheit und
illegaler Migration keine deutliche und eigenständige Position bezogen hat.
Kurz hat auch auf die rund 250.000 Wähler Rücksicht zu nehmen, die früher FPÖ
gewählt haben und die in der Migrationsfrage eine klare Haltung der Regierung
erwarten. Sowohl die Grünen wie auch die SPÖ haben in diesem Bereich keine
klare und vor allem keine mehrheitsfähige Position. Diese Frage wird wohl auch
im Wiener Wahlkampf eine zentrale Rolle spielen; die ÖVP muss hier klare Kante
zeigen und das große Potential ehemaliger FPÖ-Wähler im Auge haben; eine klare
Herausforderung für Spitzenkandidat Blümel.
Im arbeits- und sozialpolitischen Bereich kann und darf es
zu keinen Rücknahmen früherer Regelungen aus der schwarz-blauen Koalition geben
wie etwa die Areitszeitflexibilisierung; auch hier
müssen die Grünen die Mehrheitsverhältnisse in der Regierung akzeptieren, was
für die grüne Kernbasis eine echte Prüfung ist.
Kurz kann auch innerhalb der EU eine Vorreiterrolle
einnehmen, etwa bei der Umsetzung der
GASP, der gemeinsamen Aussen- und
Sicherheitspolitik, in der Frage der Sanktionspolitik und der künftigen
Beziehungen zu Russland, vor allem angesichts der Tatsache, dass eine zweite
Amtszeit Trumps wahrscheinlich ist und die Europäer sich tatsächlich um neue
Sicherheitspartner umsehen müssen.
Gute Perspektiven für Kurz, vor allem nächstes Jahr stehen
wichtige Landtagswahlen bevor, die die ÖVP nicht fürchten muss. Sollte die
türkis/grüne Koalition funktionieren, wird dies vor allem Kurz
nützen und sein nationales wie internationales Renommee stärken. Österreichs
Rolle in der EU sollte in den nächsten Jahren durchaus wichtiger werden, nicht
zuletzt durch die Person Sebastian Kurz.
Februar 2020, Dr. P.L.