Wem nützen Sanktionen?
Vorweg einige Überlegungen über das Verhältnis zwischen
Politik und Wirtschaft in den USA, China, Russland und der EU.
In den USA dominiert die Wirtschaft (Industrie, Agrarsektor,
Handel und Geldwirtschaft) die Politik. Die dominierende Rolle des USD ist
sichtbares Zeichen dieser Dominanz.
In der EU dominiert scheinbar die Politik die Wirtschaft;
durch die Folgen der Globalisierung, die enge Verflechtung mit der US-Ökonomie
und die sicherheitspolitische Abhängigkeit von den USA ist die EU letztlich von
den Interessen der US-Ökonomie abhängig.
In China und Russland dominiert die Politik die Ökonomie.
Die USA verhängen Sanktionen vordergründig aus politischen
Gründen, hinter denen sich handfeste ökonomische Interessen verbergen. Die EU
schließt sich den von den USA verhängten Sanktionen aus politischer
Abhängigkeit an, obwohl diese Sanktionen sich primär gegen die wirtschaftlichen
Interessen der meisten EU-Mitgliedsländer richten.
Seitens Chinas und Russlands sind eigentlich keine
Sanktionen verhängt worden, lediglich Gegensanktionen.
Bisher haben die Sanktionen kaum ihre ursprünglichen Ziele
erreicht. Der bezifferte Schaden ging hauptsächlich zulasten der EU, Russlands
und Chinas, die ihrerseits Maßnahmen zur Verringerung der Abhängigkeit vom
„Westen“ ergriffen und so teilweise ihre Volkswirtschaft modernisieren konnten.
Am Beispiel der Kampagne gegen Nordstream
2 und der Sanktionen gegen den Iran zeigt sich, dass die US-Maßnahmen im
Prinzip Strafaktionen zur Durchsetzung amerikanischer Wirtschaftsinteressen
sind, denen die EU nichts entgegensetzen kann und will.
Anstatt sich in zentralen politischen Feldern (Sicherheit,
Währung und Wirtschaft) unabhängig zu machen, hoffen die Entscheidungsträger
der EU auf einen politischen Wechsel in den USA, um in der Nach-Trump-Zeit
wieder in gewohnter Weise das alte Abhängigkeitsverhältnis weiter zu pflegen.
Gleichzeitig entwickelt sich die Weltwirtschaft weiter und die US-Dominanz
verliert allmählich ihre Führungsposition und damit ist die EU auf dem Weg zu
einem immer unbedeutenden Trabanten der USA-Wirtschaft.
Die Sanktionen nützen somit den USA, schaden der EU und
geben vor allem China aber auch Russland die Möglichkeit, die Konturen einer
neuen globalen ökonomischen Ordnung zu entwickeln. Alles, was Russland und vor
allem China tun (Seidenstraße) wird von der EU skeptisch betrachtet; Russland
will nur einen Keil in die EU treiben, China will ein globales Netz der Abhängigkeit
bauen, nur die USA sind der Garant, der selbstlos für eine freie Welt kämpft.
Man könnte diese Haltung als naiv bezeichnen, jedenfalls ist von einer
derartigen EU keine zukunftsorientierte Politik zu erwarten, es ist merkwürdig
genug, dass nur die Parteien links und rechts des politischen Spektrums in
Europa diese Tendenz erkennen und bekämpfen.
Peter Lüftenegger,
Mai 2019