Sicherheitspolitik des neutralen Österreich im 21. Jahrhundert

 

Auf der Basis der immerwährenden Neutralität war die Außen- und Sicherheitspolitik Österreichs immer wieder in der Lage, sich neuen Aufgaben zu stellen.

 

Im Oktober 1955 beschloss der Österreichische Nationalrat das Verfassungsgesetz über die immerwährende Neutralität. Am Schnittpunkt der Militärblöcke gelegen, entstand ein von Washington und Moskau anerkannter und kurz darauf mit ihren Stimmen in die Vereinten Nationen aufgenommener, dem Europarat beigetretener, voll souveräner Staat, der an die Schweiz anschließend, die Europäische Friedenszone erweiterte.

 

Das österreichische Neutralitätsgesetz bezieht sich auf rein militärische Grundlagen. Es unterschied sich bewusst und ausdrücklich erklärt von der Blockfreiheit, vom politischen Neutralismus. Es fußt auf der Nichtteilnahme an Militärbündnissen, dem Stationierungsverbot fremder Truppen auf seinem Territorium und der Nichtteilnahme an jedweden Kriegen.

 

Österreich trat der Europäischen Freihandelszone EFTA bei, schloss einen Handelsvertrag mit den Europäischen Gemeinschaften (EG) ab und wurde schließlich 1995 deren Mitglied. In Wien trafen sich Kennedy und Chruschtschow, Nixon und Sadat, Breschnew und Carter. Österreichs Bundeskanzler Dr. Kreisky war der Wegbereiter für eine politische Lösung der Palästinenserfrage und gleichzeitig ermöglichte Österreich die Durchreise einer Viertelmillion von Personen jüdischen Glaubens aus der Sowjetunion in die von ihnen bevorzugten Zielländer. Gestützt auf bilaterale Besuchsdiplomatie, multilaterale Vernetzung – besonders in den Vereinten Nationen – wurde sowohl der Entspannungsprozess zwischen den Blöcken der Supermächte als auch die gemeinsame Nord- Südinitiative von Brandt und Palme unterstützt.

 

In der N+N Gruppe (eine lose aber effektive Zusammenarbeit mit der Schweiz, Schweden, Irland Finnland und Jugoslawien) unterstützte Österreich die Entspannungsbestrebungen, die schließlich zur Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit (KSZE, heute OSZE) führten. Nicht zuletzt dank dieser aktiven Neutralitätspolitik erhielt Österreich die Stimmen für die Ansiedlung des 3. Hauptquartiers der Vereinten Nationen in Wien. Darüber hinaus ist Wien Sitz der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), der UNIDO, des OPEC-Sekretariates, des OSZE-Sekretariates (früher KSZE), des administrativen Komitees zur Überwachung des umfassenden nuklearen Teststoppabkommens, des umfassenden nuklearen Teststoppvertrages (CTBT), des Sekretariates des Wassenaar-Arrangements über den Transfer konventioneller Waffen und des Büros zur Drogenkontrolle und Verbrechensverhütung der Vereinten Nationen.

 

Nach dem Zerfall der Sowjetunion und den österreichischen Bemühungen um Mitgliedschaft bei den Europäischen Gemeinschaften, hat man dort zwar im Bewerbungsbrief die Neutralität erwähnt aber vermieden, sie im Vertragswerk unterzubringen, um Österreichs Aufnahme nicht zu gefährden.

 

Nach den mit österreichischer Zustimmung formulierten „Petersberger Aufgaben“ der EU wurde sogar der Artikel 23f in die Bundesverfassung aufgenommen, der den Bundeskanzler und den Außenminister ermächtigt, österreichische Truppen für friedenserzwingende Maßnahmen der EU bereitzustellen. Wie weit diese Ermächtigung tatsächlich geht, ist allerdings zwischen ÖVP und SPÖ umstritten – mithin eine legistische Fehlgeburt. Realpolitisch ist eine Sanierung nicht in Sicht, es ist daher strikt auf eine ausschließlich neutralitätskonforme Anwendung des Artikel 23f zu achten

 

 

Neue Kriege verlangen moderne Neutralitätspolitik

 

Seit 9/11 wird nicht nur der Präventivschlag, sondern der Präemptivschlag völkerrechtlich hoffähig zu machen versucht, wenn es um den Kampf gegen die international vernetzten Terrorismen geht.

 

Im Regelfall entziehen sich Terrororganisationen offener militärischer Konfrontation. Die militärisch mächtigeren halten sich am zumeist unfreiwilligen Gastland der Terroristen schadlos oder führen Rohstoffkriege unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung und der Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen – die man dann nicht finden kann.

 

Diesem Missbrauch des verbrieften Selbstverteidigungsrechts hat eine aktive Neutralitätspolitik entgegenzutreten; innerhalb der EU als meinungsbildender Initiator, mangels absehbar gemeinsamer Außen- und Sicherheitspolitik auch autonom in internationalen Gremien, besonders bei den Vereinten Nationen.

 

Gleichzeitig ist zu überlegen, welche Politiken notwendig sind, um den Terrorismen soweit den Boden zu entziehen, dass sie ihre globale Wirkung verlieren. Dabei ist nicht mediale Selbstdarstellung, sondern klandestine Diplomatie gefragt. Ebenso empfiehlt es sich, die sogenannten „failed states“ – also funktionsuntüchtige Staaten – daraufhin zu untersuchen, wie man sie im Einklang mit ihren politischen und gesellschaftlichen Traditionen zum Funktionieren bringen kann.

Gründung und Wachstum der EG zur EU stellen zudem eine neue Dimension der Übertragung von nationaler Souveränität an eine Staatengemeinschaft dar.

 

Der Neutrale steht nicht im Verdacht, eigene Vormachtinteressen zu verfolgen. Analysen, besonders afrikanische Staaten betreffend, müssten über die seinerzeitige Nord-Süd-Initiative von Brandt, Kreisky und Palme hinaus, zu einem nicht nur Wirtschafts- sondern auch Staatsentwicklungsprogramm führen, das aber nicht oktruiert werden darf, sondern echt verhandelt werden muss. Damit ginge gleichzeitig eine Minderung des Migrationsdruckes aus diesen Ländern auf Europa Hand in Hand.

 

Die Mitwirkung des neutralen Österreich am Wiederaufbau und an humanitären Maßnahmen in kriegszerstörten Staaten, kann über UNO-Mandat im Rahmen der EU, der OSZE oder auch der NATO-Partnerschaft für den Frieden geschehen. An solchen Einsätzen nimmt Österreich derzeit auf dem Balkan teil. Die Kombination von Wehrpflicht und Miliz im österreichischen Bundesheer ist dafür eine gute Voraussetzung, wenngleich in besonderen Fällen – z.B. battle groups – vor allem Spezialkräfte gebraucht werden. Österreich kann im Missionsspektrum bei der Konfliktverhütung, Evakuierung, Unterstützung bei Katastrophen und humanitären Krisen (Feldspitäler), friedenserhaltenden- und Wiederaufbauaufgaben (Pioniere), Rettungs- und Sicherungseinsätzen, gemeinsamen Abrüstungsmaßnahmen, Präventions- und Stabilisierungseinsätzen wertvolle Alternativen  entwickeln. Gerade im zivilen und im zivil-militärischen Bereich kann das neutrale Österreich Aufgaben übernehmen, weil es für internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Regelfall eine höhere Akzeptanz hat als Großstaaten in Bündnissystemen. Der neutrale Status erleichtert auch im Inland die Kooperation zwischen Bundesheer und NGOs und den Aufbau ziviler und zivil-militärischer Mittel der Konfliktprävention.

 

Wenn die Territorialverteidigung Österreichs, aber auch der EU insgesamt an Bedeutung verliert, gilt das auch für Beistandsverpflichtungen, die im Falle eines Angriffes auf das Territorium eines Mitgliedsstaates der EU in Kraft treten – ganz abgesehen von der Möglichkeit des opting out durch neutrale EU-Mitglieder.

 

Die im österreichischen Neutralitätsgesetz verankerte Bündnisfreiheit ist ihr vielleicht wichtigstes Merkmal, denn gleichzeitig ist das wichtigste Merkmal eines Bündnisses die gegenseitige Beistandsverpflichtung. Daran vermag auch der im Reformvertrag von Lissabon eingefügte, keineswegs zwingend militärische Beistand im Falle eines Terrorangriffes nichts ändern, denn er ist nicht Teil eines Militärbündnisses.

 

Europa ist ein Friedensprojekt. Daher sind Militärbündnisse für eine Friedensmacht Europa anachronistisch geworden. Derartige Bündnisse wurden in Zeiten akuter Bedrohung durch andere Staaten und Bündnisse oder zur Vorbereitung eines Angriffes beschlossen. Sie sollten daher heute keine Relevanz mehr haben. Militärmächte der Vergangenheit benötigten sie, um Loyalitäten im Kriegsfall herzustellen. Häufig könnten sie als Bedrohungen empfunden werden.

 

Europa kann nicht Friedensmacht und Militärbündnis zugleich sein. Der Sicherheitsbegriff hat sich von einem geographischen zu einem funktionalen gewandelt, der nicht mehr auf Verteidigung oder Eroberung eines bestimmen Territoriums, sondern auf Stabilisierung, Prävention, Krisenintervention und auf humanitäre Aufgaben primär mit zivilen und als letztes Mittel auch auf militärische Instrumentarien ausgerichtet ist.

 

 

Die Rolle des Soldaten in der internationalen Solidarität

 

Das Bild des Soldaten hat sich in diesem Jahrhundert gegenüber vorherigen Jahrhunderten radikal gewandelt. Hauptaufgabe ist nicht mehr die Vernichtung des Gegners, sondern der Schutz von Menschen (responsibility to protect). Die neuen Aufgaben kann man nicht durch Einsatz von Artillerie, schweren Panzern, Kampfjets oder gar Präzisionsmunition erfüllen. Das Wichtigste sind bestens ausgebildete SoldatInnen, hochqualifizierte SpezialistInnen sowie dementsprechendes Gerät für Transportfähigkeit über größere Strecken, für bestimmte moderne Führungs-, Kommunikations- und Aufklärungssysteme.

 

In den vorgenannten Bereichen können kleinere, neutrale Staaten internationale Solidarität üben. Bei Zwangsmaßnahmen ist es nicht nur für Österreich erforderlich, sondern für die ganze Staatengemeinschaft völkerrechtlich und praktisch sinnvoll, eine breite Legitimität durch ein UN-Mandat herzustellen. Trotzdem muss Österreich in jedem Interventionsfall sorgsam prüfen, ob es sich beteiligt oder nicht.

 

Große Naturkatastrophen – Tsunami, Hurrican Kathrina, Erdbeben in Pakistan – haben den Bedarf an rasch verfügbaren Kriseninterventionskräften sichtbar gemacht. Österreich hat hier mit Hand angelegt.

 

Der Reformvertrag der EU von Lissabon sieht nicht nur bei Terroranschlägen sondern auch bei Naturkatastrophen eine Solidaritätsklausel vor; sie ist aber nicht Teil der europäischen- Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP). Österreich kann hier besondere Qualifikation vorweisen. Die AFDRU des österreichischen Bundesheeres leistet hier gute Arbeit, ist aber verhältnismäßig unterdotiert. Aus diesem Sektor sollte eine Kernkompetenz des österreichischen Bundesheeres entwickelt werden.

 

 

Der Reformvertrag der EU und die Neutralität

 

Der Reformvertrag der EU – wie schon zuvor der Verfassungsvertrag - enthält eine Beistandsklausel für den Fall eines bewaffneten Angriffes auf einen anderen Mitgliedsstaat. Eine solche Verpflichtung wäre mit der immerwährenden Neutralität Österreichs unvereinbar. Der Reformvertrag sieht aber – wie schon vorher der Verfassungsvertrag – die sogenannte irische Formel vor die betont, dass dieser Artikel „den besonderen Charakter der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bestimmter Mitgliedsstaaten unberührt lässt“. Dieser Hinweis gilt nicht nur für neutrale und bündnisfreie Mitgliedsstaaten (also nicht nur Österreich und Irland bzw. Schweden, Finnland und Malta), sondern auch für die NATO-Staaten. Es bleibt den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten vorbehalten, wie sie den Beistandsartikel handhaben wollen. Für den dauernd Neutralen erwachsen dieserart keine Verpflichtungen, die seiner Neutralität widerstreiten. Dieser Befund hat jedenfalls für die völkerrechtliche Bewertung Gültigkeit. Was die verfassungsrechtliche Kehrseite der österreichischen Neutralität anlangt, so sieht zwar das Neutralitäts-BVG vor, dass Österreich „in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten“ werde.  Als ein „militärisches Bündnis“ ist aber nur ein allseitig verpflichtendes ohne Ausnahmeregelung anzusehen.

 

Wenn zudem der Reformvertrag in den allgemeinen Bestimmungen betont, dass nationale Sicherheit „in die alleinige Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedsstaaten“ fällt, bedeutet das zwar nicht, dass keine Bündnisverpflichtungen eingegangen werden dürfen (22 EU-Mitglieder sind NATO-Mitglieder), es heißt aber auch, dass den EU-Mitgliedsstaaten die Entscheidung darüber offensteht.

 

Entscheidend für die Zukunft der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Europas wird die Anwendung des Art. 3 EU-Vertrag von Lissabon sein, in dem das „Ziel der Union den Frieden ihrer Völker zu fördern“ festgelegt wird. Im Absatz 5 desselben Artikels wird dann eindeutig „die strikte Einhaltung des Völkerrechtes, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“ als Ziel der Union  bestimmt.

 

 

Battle groups“ für die Vereinten Nationen

 

Die sogenannten „battle groups“ der EU sollen für solche Einsätze dienen, die von humanitären Hilfs- und Solidaritätsleistungen bis zu robusten Missionen, die Kampfhandlungen bei Sicherungsaufgaben nicht ausschließen, erreichen. Letztere müssten mit der Legitimation des Mandates des UN-Sicherheitsrates ausgestattet sein. Österreich wird sich an ein bis zwei „battle groups“ beteiligen. 2011 (gemeinsam mit Deutschland der Tschechischen Republik, wahrscheinlich Kroatien und Irland) und möglicherweise 2012 (gemeinsam mit den Niederlanden, Finnland und Deutschland).

 

Diese Krisenreaktionskräfte sind zugeschnitten auf die im Vertrag vorgesehene permanente strukturierte Zusammenarbeit. Mitgliedsstaaten, die „anspruchsvollere Kriterien in Bezug auf die militärischen Fähigkeiten erfüllen und die im Hinblick auf Missionen mit höchsten Anforderungen untereinander festere Verpflichtungen eingegangen sind“ (Art 42 (6) EUV-neu). „Der Rat kann eine Mission einer Gruppe von Mitgliedstaaten übertragen, die dies Wünschen“ (Art. 44 EUV-neu). Die Kriterien und Zusagen hinsichtlich der militärischen Fähigkeiten legen diese Mitgliedsstaaten selbst fest. Mithin kann Österreich bestimmen, mit welchen Fähigkeiten es an „battle groups“ teilnimmt. Es gibt z.B. keine Verpflichtung, Truppen für high-tech-Kampfeinsätze zur Verfügung zu stellen.

 

Die „battle groups“ könnten gerade für UN-Missionen verwendet werden. In der Charta der Vereinten Nationen sind gemeinsame Kontingente für Kapitel VI und VII-Aufgaben unter dem Kommando des UN-Sicherheitsrates vorgesehen (Art. 43-47). Solche kamen aber nie zustande, weil die Einzelstaaten nicht permanent Kontingente zur Verfügung stellen wollten. EU-Mitgliedsstaaten sind nun dazu bereit.

 

In Österreich aber auch in anderen Mitgliedsländern der EU gibt es manchmal leider eine eigenartige Debatte, wie denn EU-Einsätze außerhalb der Vereinten Nationen durchgeführt werden können, und nicht welche Synergieeffekte zwischen EU und UNO erzielbar sind. Die EU selbst hätte größte Schwierigkeiten, Kampfaufgaben ohne breitest mögliche Legitimation durchzuführen, da Einsätze ohne UN-Mandat des Sicherheitsrates völkerrechtswidrig sind. Zwar unterstützen 60-80% der EU-Bevölkerung humanitäre und friedenserhaltende Operationen, aber 80 % sind dagegen reine Kampftruppen aufzustocken. 60 % würden sogar sagen, dass in einem solchen Fall ihre Staaten der EU nicht mehr Truppen beistellen sollten.

 

Eine UN-Autorisierung würde die Akzeptanz solcher Einsätze wesentlich erhöhen. Gerade weil die battle groups nicht, wie es die Doktrin des gerechten Krieges verlangen würde, als letztes Mittel, sondern auch vorbeugend zur Gewaltprävention eingesetzt werden sollen, ist der autorisierte Einsatz umso wichtiger. Das Gegenargument, man könne bei Evakuierungseinsätzen nicht auf ein Mandat warten, ist fadenscheinig. Der Schutz von zivilem und Einsatzpersonal ist immer Teil eines Mandats für Krisengebiete (Kongo, Darfur, Tschad). Evakuierungsmaßnahmen bedeuten außerdem nicht die Unterstützung einer Kriegspartei, was ja dem Neutralen untersagt ist.

 

Auch die Behauptung ist nicht aufrechtzuerhalten, dass der UN-Sicherheitsrat zu langsam arbeite, um auf Krisen schnell reagieren zu können. Noch am 11. September 2001 nahm der Sicherheitsrat die Resolution 1368, die das Recht auf Selbstverteidigung betonte, einstimmig an; drei Wochen danach die Resolution 1373 mit dem Aufenthaltsverbot für Terroristen, Regelungen für Reisepassfälschungen und Grenzkontrollen. Nicht immer geht es so prompt, aber 2006 haben Neokonservative in den USA behauptet, Frankreich, Russland und China würden gegen eine Resolution über Sanktionen gegen den Iran wegen seines Atomprogrammes stimmen. Mittlerweile gibt es zwei solche Resolutionen (1737, 1747) und zwar noch bevor Präsident Sarközy selbst zum Hardliner wurde. Und gegen die Erwartungen vieler, hat China auch einer Resolution über Darfur zugestimmt.

 

 

Rüstungskontrolle, Diplomatie und Konfliktverhütung – Aufgaben für Neutrale

 

Österreich hat sich immer um Rüstungskontrollfragen gekümmert. Aktuelle Beispiele sind die Landminen und Streubomben. In den 80er Jahren bemühte es sich um die Konvention über chemische Waffen. Österreich war Tagungsort für Verhandlungen zum Vertrag über konventionelle Waffen (KSE) und dem Vertrag über vertrauensbildende Maßnahmen – als Wiener Dokument bekannt.

 

Es ist nach wie vor österreichisches Interesse, die Rüstungskontrollverträge über konventionelle Waffen (KSE) und Mittelstreckenraketen (INF) zu erhalten - und wohl auch Interesse der EU. Das Abkommen über strategische Waffen (START) müsste über 2009 hinaus verlängert werden. Österreich sollte sich auch verstärkt für nukleare Abrüstung im Sinne des Artikel VI des Nichtverbreitungsvertrages und die Umsetzung des umfassenden nuklearen Teststopps (CTBT) sowie gegen die Modernisierung von Nuklearwaffen bzw. die Aufstellung neuer Raketen jeglicher Art in Europa einsetzen. Nachhaltige Erfolge gibt es nur, wenn Rüstungskontroll- und Abrüstungsmaßnahmen multi- oder bilateral vorgenommen werden. Unilaterale Absichtserklärungen reichen nicht.

 

Österreich setzt sich für verstärkte Ausfuhrkontrolle konventioneller Waffen und Technologien sowie Produkten, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können (dual-use-Güter) im Rahmen des Wassenaar-Arrangements (WA), des EU-Code of Conduct und der OSZE ein. Endverbraucherlizenzen müssten verpflichtend bekanntgegeben, ihre Einhaltung kontrolliert werden. Destabilisierende Anhäufungen von konventionellen Waffen müssen verhindert werden.

 

Diplomatie und Konfliktverhütung sind traditionelle Felder des neutralen Staates. Das darf nicht als Heraushalten aus jeglichem politischen Konflikt interpretiert werden. Österreich hat seine Neutralität immer verbunden mit einer aktiven Politik interpretiert. Es ist dem Europarat, den Vereinten Nationen und schließlich nach Volksentscheid der EG (heute EU) beigetreten. Heute ist Neutralität die Basis für das Einfordern einer Friedenserhaltungs- und                 -wiederherstellungspolitik unter gleichzeitiger Bereitschaft, im Rahmen völkerrechtlich einwandfreier Bedingungen an friedensfördernden Einsätzen der EU oder der Partnership for Peace auf Basis eines UN-Mandats teilzunehmen, ohne dass damit  ein Automatismus verbunden, seine sicherheitspolitische Souveränität gefährdet wäre.

 

 

Beistandsverpflichtungen und andere unwahrscheinliche Szenarien

 

Wie bereits ausgeführt gibt es weder im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik noch im Rahmen der Solidarität im Falle von Terrorangriffen eine Beistandsverpflichtung des neutralen Österreichs. Beistandsverpflichtungen ohne Ausnahmen würden die EU zu einem Militärbündnis machen. Selbst die Bündnisverpflichtung der NATO ist längst durch eine nur teilweise Teilnahme der NATO-Mitglieder an militärischen Aktionen des Bündnisses abgeschwächt. Die Tendenz geht also nicht in Richtung mehr Beistandsverpflichtung von Militärbündnissen, schon gar nicht in Richtung EU-Militärbündnis. Die Tendenz geht vielmehr – wenn auch langsam – in Richtung UN-mandatierte Interventionen. Dort wo eine Großmacht in Selbstüberschätzung glaubte militärisch alleine mit einigen unterstützenden NATO-Mitgliedern vorgehen zu können, hat sie bald wieder die Vereinten Nationen gebraucht.

 

In dieser Phase globaler Sicherheitsentwicklung ist eine aktive Außenpolitik Österreichs auf Basis seiner immerwährenden Neutralität wichtiger denn je. Man wirft der Neutralität einerseits vor veraltet zu sein, andererseits sich bis zur Unkenntlichkeit verändert zu haben. Entweder das eine oder das andere. In Wirklichkeit hat sich nicht die Neutralität verändert, sondern die Welt in der das neutrale Österreich heute und morgen steht. Die Bestrebungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) werden beispielsweise besonders unterstützungswürdig wenn nicht nur der nukleare Nichtweiterbreitungsvertrag (NPT) von 1970 durch Beitritte von Indien, Pakistan und Israel, seine Einhaltung von Nordkorea und Iran beachtet würde, sondern wenn auch die bisher pragmatisierten Atommächte auf ihr als Sicherheitspotential getauftes Bedrohungspotential schrittweise verzichten würden, sodass der Besitz von Atombomben nicht mehr ein Großmachtaccessoir ist. Das neutrale Österreich hat keine weltweiten geopolitischen Interessen.

 

Österreichs Neutralität darf nicht als politische Hinnahme von Diktatur, Willkür und Verletzung der Menschenrechte denunziert werden. Österreich hat sich auch in geopolitisch schwierigeren Zeiten zu Menschenrecht, Völkerrecht und Demokratie bekannt bzw. danach gehandelt. Wenn es darauf achtet, dass der Zusammenschluss europäischer Staaten in der EU nicht zum Militärbündnis wird, ist das die einzige Garantie für die Fortführung der Entwicklung der EU zur Friedensunion für den ganzen Kontinent – einschließlich jener europäischen Staaten die ihr nicht angehören. Nur dann wird nämlich die EU nicht als Bedrohung, sondern als Hoffnung empfunden werden. Auch die aus der politischen Entwicklung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstandenen und verbliebenen Ängste der neuen, mittel- und osteuropäischen EU-Mitglieder werden gegenüber den Chancen einer Friedensunion verblassen.

 

Das neutrale Österreich kann und soll sich den globalen Entwicklungen des 21. Jahrhunderts stellen. Europäische, russische und nordamerikanische Politik werden ihre dominante Stellung verlieren und China, Indien, die asiatischen Tigerstaaten und Lateinamerika als gleichberechtigte Partner akzeptieren müssen. Die uneigennützige Politik des neutralen Österreichs hat im eigenen Interesse ihren Beitrag zu einer entsprechenden weltpolitischen Bewußtseinsbildung zu leisten.

 

Die Unterzeichneten treten daher dafür ein:

 

Bei der Umsetzung des Vertrages von Lissabon soll sich Österreich auf die friedenspolitischen Ziele, Maßnahmen und Instrumente konzentrieren:

- durch die Verlängerung des Abkommens für strategische Waffen über 2009 hinaus,

- durch die Anwendung des Art. 6 NPT, die nukleare Abrüstung zu forcieren,

- die Umsetzung eines umfassende Teststoppverbotes zu verfolgen,

- durch verstärkte Waffenausfuhrkontrolle konventioneller Waffen wie auch dual-use Güter im Rahmen des Wassenaar-Arrangements, des EU-Code of Conduct und der OSZE den      

  Waffenhandel in Kriegs- und Krisengebiete zu beschränken.

 

und auf diese Weise der immerwährenden Neutralität Österreichs, die nun seit mehr als zehn Jahren im Kontext der Europapolitik zu interpretieren ist, ein neues, aktives und friedensorientiertes Profil zu verleihen!