Sylvia Löhrmann, MdL, Grüne

Politikwechsel braucht Regierungswechsel

Die Beschlüsse der NRW-SPD bedeuten für NRW zweierlei:

 

Der versprochene Politikwechsel wird zum symbolischen lähmenden Schaukampf zwischen Parlament und geschäftsführender Minderheitsregierung.

 

Der Wahlverlierer Jürgen Rüttgers wird gestärkt.

 

Die geschäftsführende schwarz-gelbe Minderheitsregierung kann problemlos weiter regieren auf der Grundlage der bestehenden Gesetze und des beschlossenen Haushalts. Wer den Politikwechsel will, braucht nicht nur eine parlamentarische Mehrheit für Einzelvorhaben, sondern eine andere Landesregierung, die die Exekutive entsprechend führt.

 

Es ist doch ein Widerspruch, dass eine geschäftsführende Minderheitsregierung unter Jürgen Rüttgers, die nur über 67, bestenfalls 80 Sitze im Landtag verfügt, besser sein soll als eine vom Parlament legitimierte rot-grüne Minderheitsregierung, die sich auf 90 Sitze im Parlament stützt und nur eine Stimme von der absoluten Mehrheit entfernt ist. Das muss Frau Kraft der Öffentlichkeit erklären. Ich kann das vor unseren Wählerinnen und Wählern nicht verantworten.

 

Die schwarz-gelbe Regierung von Jürgen Rüttgers ist abgewählt und nun nur noch geschäftsführend im Amt. Sie arbeitet ohne Koalition und ohne Koalitionsvertrag. Wir plädieren für die Minderheitsregierung einer rot-grünen Koalition auf der Grundlage eines Koalitionsvertrages.

 

Wir wissen, dass wir damit Neuland betreten, und wir wissen, dass wir für unsere Vorhaben wechselnde Mehrheiten brauchen. So wissen die Menschen, was wir für NRW vorhaben, und sie wissen jeweils, wer unsere Ziele unterstützt und wer sie blockiert. Für die Skandinavischen Länder ist dies der parlamentarische Alltag, und dort wird die Minderheitsregierung als Stärkung der Demokratie gesehen.

 

Für unser Vorgehen haben wir einen mächtigen Verbündeten, nämlich die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen.

 

Die Bildung einer Minderheitsregierung ist nach Artikel 52 der Landesverfassung NRW nicht nur möglich. Nach unserer Verfassung soll unabhängig vom Wahlausgang in jedem Fall ein Ministerpräsident bzw. eine Ministerpräsidentin gewählt werden. Damit soll abgesichert werden, dass nach einer Wahl eine Regierung gebildet wird. Der Artikel 52 Absatz 2 ist strikt auf den Erfolg der Wahl ausgerichtet.

 

Folgende Eckpunkte für eine Minderheitsregierung ergeben sich aus der Landesverfassung NRW:

 

  1. Das Amt des Ministerpräsidenten und der Minister endet gemäß Artikel 62 Absatz 2 in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Landtags. Die Verfassung spricht davon, dass sich das Amt erledigt. Nach der "Erledigung der Ämter", also seit dem 9. Juni, führen die Mitglieder der alten Regierung die Geschäfte weiter, um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten.

 

  1. Daraus, dass sich das Amt des Ministerpräsidenten nach Artikel 62 Absatz 2 erledigt, folgt, dass die Wahl der Ministerpräsidentin oder des Ministerpräsidenten zwingend ist. Allerdings gibt die Verfassung keinen Zeitpunkt vor, wann die Wahl spätestens stattfinden muss.

 

  1. Entscheidend ist aber, dass die Ministerpräsidentin bzw. der Ministerpräsident mit einfacher Mehrheit gewählt werden kann. Diese Regelung hat einen konkreten Sinn und Zweck: Es soll eine Regierung gebildet werden, die so nahe am Wahlergebnis ist wie möglich. Damit unterscheidet sich unsere Verfassung von anderen Landesverfassungen, beispielsweise Hamburg, wo jeder Senator mit 2/3 Mehrheit gewählt werden muss.

 

  1. Für die Wahl der Ministerpräsidentin benötigen SPD und Grüne keine Stimme irgendeines Abgeordneten einer anderen Fraktion. Ich betone noch einmal, in einem vierten Wahlgang ist gewählt, wer die meisten Stimmen hat.

 

Die Minderheitsregierung führt unter den gegebenen Bedingungen in NRW zu klaren Verhältnissen. Das Bild aber, was CDU und SPD in den letzten Tagen abgeben, ist ein Förderprogramm für Politikverdrossenheit: Herr Rüttgers klebt am Sessel, obwohl er krachend abgewählt worden ist, und die SPD verweigert sich – derzeit zumindest – dem Regierungswechsel.

 

Allein aus dem Parlament heraus zu gestalten, stößt unmittelbar an Grenzen und kann keinen Politikwechsel herbeiführen:

 

 

 

 

Daraus folgt: Es gibt nur einen geringfügigen Gestaltungsspielraum. Der von den Bürgerinnen und Bürgern gewählte Politikwechsel findet Tag für Tag nicht statt.

 

Frau Kraft hat gesagt, wir wollen handeln. Ja, das wollen wir auch. Aber nicht nur im Bundesrat, wenn es nicht mehr anders geht, sondern schon jetzt mit einer rot-grün geführten Administration. Nur so nur kann man wichtige politische Ziele systematisch umsetzen. Und das können wir, das wollen wir. Und dafür sind wir demokratisch durch das Wahlergebnis und die Verfassung legitimiert.

 

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, was eine rot-grüne Minderheitsregierung sofort umsetzen könnte:

 

  1. Mit Blick auf die notleidenden Kommunen die Änderung der Förderrichtlinien und der Erlasse.

 

  1. Die Anträge der Städte und Gemeinden für Gemeinschaftsschulen können sofort umgesetzt werden (§ 25 Schulgesetz).

 

  1. Die Vergabe sämtlicher Förderprogramme, z.B. der NRW Bank, ist ein rein administratives Handeln. Darüber wird in nächster Zeit entschieden.

 

Wenn Frau Kraft und die SPD das Wagnis einer rot-grün geführten Minderheitsregierung scheuen, muss die SPD in die Große Koalition gehen. Ich wiederhole ausdrücklich, dass ich das respektieren würde.