„Offen gelegt“ von Wolfgang Schüssel

Auszüge seiner sicherheitspolitischen Ansichten.

 

Auf Seite 50 spricht Schüssel über sein „Kanzlerfrühstück“ mit Klima bei dem es ihm sogar gelingt Klima für die Idee eines NATO-Beitritts zu interessieren (1997). Anlass sei die Planung einer NATO-Erweiterung für Sommer 1997 gewesen (Polen, Ungarn, Tschechien). „Wir sollten zu euch stoßen und mitmachen“ sagte Schüssel im Frühjahr 1997 bei einer Rede im NATO-Hauptquartier. Klima schlug angeblich eine Volksabstimmung über den NATO-Beitritt vor. Voraussetzung dazu wäre ein Beitrittsbeschluss des Parlaments gewesen. In der SPÖ wurden angeblich schon Pläne gewälzt wie ein solches Referendum zu gewinnen wäre: etwa durch Koppelung mit der Abschaffung der ungeliebten Wehrpflicht (Berufsheer). Eifrigster Pro-NATO-Kurs Proponent Josef Cap. Fischer und Kostelka, laut Schüssel Gralshüter der Neutralität, führen beim SPÖ-Parteitag im April einen Beschluss gegen den NATO-Beitritt herbei.

 

Das Thema NATO wurde um ein Jahr weitergeschoben.

 

 

Auf Seite 61 berichtet Schüssel von einem Arbeitsessen mit Viktor Klima am 31. März 1998 im Wiener Rennverein. „Es geht um den sogenannten Optionenbericht, mit dem Österreich nach dem Ende des Kalten Krieges und angesichts der NATO-Osterweiterung endlich Klarheit über seine sicherheitspolitischen Möglichkeiten und Ziele gewinnen will.“ Laut Koalitionspakt soll dieser Bericht am 1. April 1998 im Ministerrat beschlossen werden. Die Parteichefs sollen am Vorabend den bislang nicht erzielten Durchbruch schaffen. Klimas „Adjutant“ ist René Pollitzer (heute Kabinettsdirektor Fischers). Schüssel wird von Thomas Mayr-Harting „sekundiert“. Pollitzer und Harting hatten die theoretisch existierenden Handlungsmöglichkeiten Österreichs aufgelistet. Ein einziger Satz in den Schlussfolgerungen ist strittig: „Deshalb empfiehlt die Bundesregierung, alle Perspektiven der europäischen Sicherheitsarchitektur, einschließlich der Perspektive einer NATO-Mitgliedschaft, weiter zu verfolgen.“ Laut Schüssel ein vollkommen harmloser Satz, kein Präjudiz für den NATO-Beitritt, aber alle Möglichkeiten sollen offen gehalten werden. Heinz Fischer will die Erwähnung der NATO-Option um jeden Preis verhindern. Er setzt Klima unter Druck (nicht nur er sondern auch ich, Erwin Lanc).

 

Nach angeblich stundenlangen Verhandlungen verlässt Klima die Sitzung zur Teilnahme an der Eröffnung des neuen „Krone“ Privatradios. Klima kommt nicht zurück. Schüssel ruft ihn zwei Mal an. Klima verspricht bald zu kommen, aber kommt nicht. Am nächsten Tag muss die Große Koalition ihr Scheitern am Optionenbericht bekennen.

 

Aug Seite 64 wird Thomas Klestil als Befürworter der NATO-Option bezeichnet. Österreich nimmt an der NATO-geführten Friedensmission im Kosovo teil. „Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit des Bundesheeres muss auch ohne Beitritt hergestellt, der politische Kontakt zu den NATO-Strukturen auch ohne Beitritte gehalten werden.“

 

Bei einer nach Österreich geholten NATO-Fachtagung im Juni 1997 sagt Schüssel: „Solidarität hat Vorrang vor Neutralität“. Laut Schüssel hat dies nichts mit der NATO zu tun, die eine relativ schwache Beistandsklausel aufweist, sondern ist gängige EU-Politik. Deshalb, so meint er, beschließt der Nationalrat im Juni 1998 den Artikel 23f BVG. Damit ist die Möglichkeit gegeben auch ohne UNO-Mandat auch an jenen Petersberg-Aufgaben der EU teilzunehmen, die den Charakter friedensschaffender Militäraktionen haben. Die Österreichische Neutralität wird damit zum dritten Mal neu interpretiert, meint Schüssel. Zwar hat die SPÖ diesem Artikel zugestimmt, aber immer wieder versucht ihn abzuändern oder zurückzunehmen. EU-Einsätze mit österreichischer Teilnahme soll es nur UNO-mandatiert geben.

 

Die Position der ÖVP laut Schüssel: Warum soll die EU bei ihren Friedensmissionen von den USA, China oder Russland abhängig sein, die mit ihrem Vetorecht im Sicherheitsrat jeden UNO-Beschluss verhindern können?

 

Kommentar E. L.: Bei einer ORF-Diskussion im Haas Haus fragt Lanc Außenminister Schüssel, warum er unbedingt zur NATO will. Antwort sinngemäß: Wenn ich (Schüssel) nach Brüssel komme, muss ich warten bis die NATO-Mitglieder der EU ihren Standpunkt ausdiskutiert haben. Ich möchte auch dabei sein.

 

 

Kommentar von Erwin Lanc, 10. Dezember 2009