Wohin geht Syrien?

 

Die Frage: „Wohin geht Syrien?“ ist schwer zu beantworten.

Assad hat kaum Perspektiven, das Land in eine Zukunft zu führen. Die Leute aus den hinteren Reihen, die zumindest von Teilen der Opposition als Verhandlungspartner akzeptiert werden könnten, zeigen sich – noch -  nicht. Jedenfalls sind große Teile des syrischen Territoriums, der Verwaltung, der Ressourcen, der militärischen Kapazität unter der Kontrolle des Staates, also des Assad-Lagers. Die staatliche Struktur ist zwar eingeschränkt, aber sie funktioniert.

Die Opposition ist politisch, religiös und auch ethnisch zersplittert. Eine gemeinsame Regierungsbildung, in der alle oppositionellen Kräfte vertreten sind, ist so gut wie unmöglich.

Ein Treffen mit offiziellen Vertretern von UNO, EU, arabischer Union jagt das andere, ohne dass sich zukunftsweisende Strategien und Lösungen abzeichneten.

Zwar drängen einige europäische Länder, die unter einem postkolonialen Syndrom zu leiden scheinen, auf militärische Interventionen, auf militärische Aufrüstung der Opposition, auf Flugverbotszonen etc. In Wahrheit dürfte es aber um die mittelfristige Sicherung wirtschaftlicher Interessen gehen.

Das komplizierte politische, religiöse und ethnische Geflecht, in dessen Mittelpunkt Syrien steht, von dem aber der Libanon ebenfalls massiv betroffen ist und auch die Stabilität Israels, der Türkei und Jordaniens abhängigen, kann jedenfalls definitiv nicht von einer militärischen Intervention von aussen und von Waffenlieferungen sinnvoll gelöst werden.

Ein Bürgerkrieg, an dessen Ende die totale Zerstörung eines einst blühenden  Landes steht, nützt nur dem islamistisch-fundamentalistischen Widerstand.

Derzeit ist die permanente Zerstörung Syriens der einzig erkennbare Faden, der sich durch die jüngeren EReignisse zieht.

Ende Juni endet das Mali-Abenteuer der Franzosen. Alles deutet darauf hin, dass dieser militärische Einsatz ohne Nachhaltigkeit bleibt. Zu unterschiedlich sind die ethnischen, sozialen, religiösen und politischen Strukturen des Landes. Wie sollen Wahlen in einem destabilisierten Land für eine Zukunft sorgen? Ein Präsident, der sich an die Macht putschte, ein offenes Tuareg-Problem, das sich seit 60 Jahren ungelöst hinzieht und einen Großteil des Maghrebs betrifft. Nichts deutet auf einen irgendwie erkennbaren Fortschritt in Mali durch die französische Intervention hin. Aber vielleicht wollen die Franzosen den Blick auf ihre beträchtlichen inneren Probleme durch militärische Abenteuer in ihrem Hinterhof abwenden.

Auch in der Türkei gibt es eine starke alawitische Minderheit und eine starke kurdische Volksgruppe, die ihre Brüder in Syrien weiss. Bei allem ökonomischen Aufschwung der Türkei ist die politische Stabilität nicht wirklich gefestigt. Der Anspruch, eine Führungsmacht im Nahen Osten zu sein, stößt auf Skepsis im Iran und Saudi-Arabien. Auch die Türkei ist eingebettet in ein kompliziertes Kräftegleichgewicht im Nahen Osten, das es nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollte.

Die Zurückhaltung der USA und Israels spricht Bände und lässt den Schluß zu, dass es derzeit nur die Option einer politischen Lösung gibt, die ausschließlich auf dem Verhandlungsweg zu erreichen ist.

 

Dr. Peter Lüftenegger, Editor, Mai 2013