Die Türkei
entfernt sich von Europa
Nach längerer Pause wurden einige neue Kapitel im Zuge der
Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU eröffnet.
An den Vorbehalten vieler europäischer Politiker dagegen hat
sich wenig geändert.
Die militärische Besetzung des Nordteils von Zypern, das
Streben nach einer regionalen Hegemonie, die offene militärische Einmischung in
Nachbarstaaten, die Unterdrückung der Meinungsfreiheit bei den Gezi-Park-Demonstrationen, die Unterdrückung der kurdischen
Minderheit geben wenig Hoffnung auf ein Heranrücken der Türkei an europäische
Werte und Normen.
Das von Erdogan angekündigte „Paket der demokratischen
Reformen“, das u.a. die Liberalisierung des Wahlsystems der Türkei vorsieht,
wird von kurdischen Vertretern stark kritisiert. Sie haben große Hoffnungen in
eine neue Verfassung gesetzt, die die Gleichberechtigung aller Staatsbürger
garantiert, die eine Dezentralisierung der Verwaltung vorsieht und den Beginn
einer Regelung „der kurdischen Frage“ markiert. Nichts davon ist geschehen. Der
Prozess der Friedensregelung wurde auf ein Abstellgeleis verschoben.
Der zu erwartende Sieg Erdogans bei den kommenden
Präsidentschaftswahlen in Verbindung mit Verfassungsänderungen, die die
Befugnisse des Präsidenten deutlich erweitern, lassen den Schluss zu, dass es
künftig zu keinen demokratischen Änderungen in der türkischen Innenpolitik
kommen wird.
Darüber hinaus ist die Türkei in den letzten Jahren zu einem
der Hauptsponsoren der radikalen islamistischen Gruppierungen geworden. Auf
türkischem Territorium befinden sich Trainingslager der Terroristen aus aller
Welt. Sie bekommen dort von türkischen Militärs Feuervorbereitung. Es hat den
Anschein, dass der Export des Terrorismus ein wichtiger Zweig der türkischen Außenpolitik
geworden ist, was die Ereignisse in Syrien und Irak zeigen.
Hat ein solches Land eine glaubwürdige EU-Perspektive?
Ist die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel vernünftig?
Dr.
Peter Lüftenegger, 8.11.2013