Oligarchie in Moldawien?

Moldawien wird gerne als einer der demokratischsten postsowjetischen Staaten gesehen, doch entspricht das der Wirklichkeit? Die Macht wird derzeit von Vlad Plahotniuc ausgeübt, der weder ein Demokrat noch ein Reformer ist und die Schwäche des Staates für seine Interessen zu nutzen scheint.  Ein genauer Blick auf diesen Vorhof der EU tut not, um die Ernsthaftigkeit der gegenwärtigen Situation richtig einschätzen zu können.

Ende 2015 wurde Plahotniuc, der Führer der Demokratischen Partei, die die stärkste Kraft in der regierenden Koalition bildete, zum bestimmenden Politiker des Landes. Es gelang ihm, seine Konkurrenten, den früheren Premierminister Vlad Filat und den Geschäftsmann Vjatscheslaw Platon, aus dem Weg zu räumen; beide wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Parlamentsmehrheit folgte Plahotniuc und er konnte seinen langjährigen politischen Gefährten Pavel Filip als Regierungschef etablieren. Plahotniuc und seine Partei haben inzwischen den Staatsapparat übernommen, kontrollieren die Justiz, die Generalstaatsanwaltschaft und das nationale Anti-Korruptions-Zentrum; es gibt kaum mehr eine unabhängige Institution in Moldawien. Vier bis fünf Fernsehstationen gehören zu Plahotniucs Einflussbereich, sein Geschäftsimperium wird auf 2 Mrd. € geschätzt. Entgegen der öffentlichen Meinung ist Igor Dodon, der im Dezember 2016 gewählte Präsident und Chef der prorussischen Sozialistischen Partei, kein wirkliches Gegengewicht zu Plahotniuc und spielt eher eine repräsentative Rolle. Moldawien wird de facto von einer Person gelenkt, dabei ist sein Einfluss lediglich informell, er hält keine politische Position, ist lediglich der Vorsitzende seiner Partei. Aber er hält die Geschicke seines Landes in seinen Händen. Dabei werden ihm Korruption und undurchsichtige finanzielle Aktivitäten vorgeworfen und sein Ruf in der Öffentlichkeit ist sehr umstritten. Mit seinem Medienimperium beeinflusst er die öffentliche Meinung und bringt kleinere, private TV-Stationen an den Rand des Ruins. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Aktivitäten ist der Versuch, bis zu den Parlamentswahlen 2018 ein neues Wahlrecht durchzusetzen, das ein Majoritätsvotum anstelle des bisher geltenden Proporz-Wahlrechts anstrebt. Auch dieses Vorhaben wird von kritischen Beobachtern als Versuch gesehen, die Wahlen 2018 mit allen Mitteln gewinnen zu wollen. Dem Westen gegenüber versucht Plahotniuc zu beweisen, dass nur er ein Garant des Pro-Europäischen Kurses ist. Er sieht sich als starker, charismatischer proeuropäischer Führer, der allein dem wachsenden russischen Druck Stand hält und die von Brüssel geforderten Reformen umsetzt, dabei wird er von Lobbyisten wie etwa der US-Gruppe Podesta unterstützt. Es gilt, seine Absichten zu analysieren und ihn an seinen Taten zu messen. Ist er an echten Reformen interessiert, an einer Modernisierung seines Landes? Er hat kein Programm und keine Ideologie, er folgt Interessen.

In diesem ärmsten Land Europas ist die EU gefordert, Lösungen zu finden, die auch beispielhaft für andere Regionen sind. Das fordern auch Experten von Carnegie Europe in einem Papier vom Mai dieses Jahres.

 

Peter Lüftenegger, Oktober 2017