Momentaufnahmen zur Ukraine

 

Das Interesse der USA am Ukraine-Konflikt hat keine Priorität, so Äusserungen von Tillerson und Trump im Jänner des Jahres. Warum sollten sich amerikanische Wähler und Steuerzahler um die Ereignisse in der Ukraine kümmern?

Die Amerikaner erwarten, dass die Europäer (Schlüsselländer in G7, EU und NATO) ihre Verhältnisse regeln.

Nach Meinung des deutschen Aussenministers Gabriel müssen beide Seiten (Russland und die Ukraine) überzeugt werden, dass ein nachhaltiger Waffenstillstand der Schlüssel für die Rückkehr zum politischen Prozess bedeutet.

Zwei Jahre nach der Majdan-Revolution kann man in Kiew studieren: Teilweise kein Wasser in zentralen Hotels, ständiger Ausfall der Elektrizität, Lifts sollte man eher meiden und die Stiegen benutzen, Bestätigungen über Geldwechsel sollte man aufheben, übriggebliebene Hryvnias unterliegen ohnehin einem rasanten Prozess an Kaufkraftverlust. Dazu ein markanter Einbruch beim Bruttonationalprodukt, eine Inflationsrate, die höher ist als in Syrien, Südsudan und Yemen. Waren das die Ziele der „Revolution der Würde“?

Der viel beschworene Reformprozess kommt nicht bei den Leuten an. Die Reformintentionen verfangen sich im Gewirr von Bürokratie, Justiz und undurchsichtigen Strukturen. Noch immer sitzen ehemalige kommunistische Parteifunktionäre, Manager und Bürokraten an den Schalthebeln des Staates und staatsnaher Unternehmen. Diese Leute konnte auch die Majdan-Revolution von 2004 nicht aus ihren Positionen verdrängen. Es kam vielmehr zu einem Pakt zwischen den alten und neuen (oligarchischen) Eliten und die Präsidentschaft von Janukowitsch war sichtbarer Ausdruck dieses Systems. Auch in der derzeitigen Führung in Kiew sitzen „Alte Klienten“ des Kreml. Poroschenko ist seit 1998 in der ukrainischen Politik, der frühere Ministerpräsident Jazeniuk seit 2001; Ähnliches gilt für Timoschenko. Die alten Blockparteien stehen schon wieder bereit, externe oder US-stämmige Fachleute wie Saakaschwili, Natalia Jaresko oder Abromavicius konnten keinerlei  Reformfortschritte erreichen.

Ein undurchsichtiges Wahlsystem verhindert politische und institutionelle Reformen. So läuft die Ukraine Gefahr, ein größeres Moldawien zu werden mit ständigen Volksaufständen, Korruptionsskandalen, sozialer Spaltung und ökonomischer Stagnation, allerdings mit unerfreulichen Folgen für den Westen Europas: Einer Fluchtbewegung von mehreren Millionen Ukrainern in Richtung EU.

Der polnische Experte Wojciech Kononczuk stellte in einem im Jänner 20017 erschienenen  Bericht über „Das gescheiterte Versprechen einer Deoligarchisierung“ fest, dass alle diesbezüglichen Post-Majdan-Versprechen lediglich Wunschdenken sind. Die Namen sind die gleichen geblieben: Kolomojskiy, Achmetov, Firtasch. Deren persönliche Sicherheit, ihr geschäftliches Umfeld und ihr Einfluss sind nach wie vor ungefährdet. In einem kaum ordentlich geführten Staat mit einer ineffektiven und korrupten Bürokratie sind diese oligarchischen Gruppierungen bestens organisiert und auch am besten geeignet, zu regieren: Die lokalen Parlamente und Regierungen stehen unter ihrem Einfluss, Lobbyisten setzen ihre Wünsche durch und ihre Informationsunternehmen dominieren den ukrainischen Medienmarkt. Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse in der Werchowna Rada ist Ministerpräsident Groizman nicht in der Lage, seine Reformvorhaben durchzusetzen. Die neue politische Elite des Landes vermag jedenfalls nicht, einen politischen und ökonomischen Strukturwandel herbei zu führen. Vorlagen über die öffentliche Parteienfinanzierung wurden verzögert, die Berufung des Generalstaatsanwaltes durch den Präsidenten entspricht nicht den Forderungen nach einer unabhängigen Kontrolle, eine substanzielle ökonomische Deregulierung findet nicht statt und schadet der Entwicklung vor allem kleiner und mittlerer Unternehmen. Der Energiesektor ist nach wie vor unter oligarchischem Einfluss. Dieser wird so lange anhalten, wie die derzeitige Machtbalance der Politik in der Ukraine dauert. Gegenwärtig ist nicht damit zu rechnen, dass es zu einem qualitativen Wechsel durch neue politische Gruppierungen kommt, Wahlen werden in absehbarer Zeit keine Änderung bringen, zu sehr sind sie von den medialen und ökonomischen Einflussmöglichkeiten der oligarchischen Gruppen abhängig, die damit auch in Zukunft ihre Kandidaten auf den Listen der Parteien und damit  ihre  politischen Einflussmöglichkeiten in der Werchowna Rada behalten werden.

 

Peter Lüftenegger, Wien, Juli 2017