Mali, Syrien,
Ägypten:
Interventionen
erschweren Lösung
Allen drei Konfliktherden ist eines gemeinsam: Es sind
soziale, ethnische und vor allem religiös begründete Unruhen bis hin zum
Bürgerkrieg, die die drei Länder prägen. Dass es zu solchen Eskalationen
der Gewalt kommen konnte ist vor allem in Mali und Syrien den Interventionen
von außen geschuldet.
Erst die massive Aufrüstung und Unterstützung
oppositioneller Gruppen durch einige europäische NATO-Staaten und
sunnitisch-arabische monarchische Diktaturen wie in Syrien und die offene
militärische Einmischung der gleichen europäischen NATO-Länder auf Seiten einer
Diktatur wie in Mali haben zur Explosion der Gewalt geführt. Die These „erst
das militärische Gleichgewicht der Antagonisten wird zwar zu einer
Intensivierung aber gleichzeitig zu einer Abkürzung der Gewalt führen“ ist
frivol und wird auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen.
In Mali soll es nach dem Willen des französischen
Präsidenten Ende Juli zu Präsidentschaftswahlen kommen; was ist mit dem
Parlament, was ist mit der nationalen Aussöhnung? Alle Experten halten diesen
Termin für illusorisch. Innerhalb von wenigen Monaten soll aus bunt zusammen
gewürfelten malischen Soldaten eine solide militärische Macht gewachsen sein,
die ein riesiges Land, das von ethnischen, sozialen und religiösen Spannungen
geprägt ist, befrieden soll. Ein Trugbild, dem das Wunschdenken einer
ehemaligen Großmacht zugrunde liegt. Die Libyisierung
ist vorgezeichnet: Der Zerfall Malis in Regionen, die von Ethnien und
Religionen geprägt sind. Eine politische Lösung ohne Intervention, Druck und
Einmischung von außen braucht Zeit und ist jedenfalls nicht in wenigen Wochen
und Monaten zu erreichen.
In Syrien verbindet die Opposition vor allem die religiöse
Ausrichtung als Sunniten. Rein weltliche, also nicht religiös definierte
Gruppen gibt es in den diversen
Oppositionsbündnissen nicht. Dass
diese sunnitischen Gruppen die Macht nicht mit Alewiten teilen wollen, ist
aufgrund der jüngeren syrischen Geschichte klar. Aber so kann ein politischer
Kompromiss nicht gelöst werden. Die Opposition hat kein Alleinbestimmungsrecht
und auch kein Mandat dazu. Unterstützt wird sie ebenfalls von sunnitischen
Regimen, die im nahöstlichen Ringen um die politisch-religiöse Vorherrschaft
Partei sind. Der hilflose Versuch einiger europäischer Staaten, aus dem
Dickicht der syrischen Oppositionsgruppen einige „gute“ herauszufiltern und zu
unterstützen ist schon gescheitert, bevor die versprochenen schweren Waffen an
die Front gelangen. Eine politische Lösung ist alternativlos und die Opposition
wird sich daran gewöhnen müssen, dass sie keinen Alleinvertretungsanspruch hat,
zumal auch sie demokratisch in keiner Weise legitimiert ist.
In Ägypten ist zwar keine direkte Einmischung oder
Intervention durch westliche Staaten zu verzeichnen, jedoch die großzügige
westliche Militär- und Wirtschaftshilfe macht das ägyptische Militär nicht
wirklich unabhängig und auch beträchtliche Geldflüsse aus arabischen Monarchien
nehmen direkt Einfluss auf die politische, soziale und wirtschaftliche
Situation dieses nordafrikanischen Schlüssellandes. Faktum ist, dass die
Demonstranten des Tahrir-Platzes weder vor eineinhalb
Jahren noch jetzt ihr Ziel erreicht haben. Sie haben einmal den Muslim-Brüdern
und jetzt dem Militär zur Macht verholfen. Das Militär ist ein Staat im Staat
und hat mittelfristig keinen oder zu wenig Halt in der Bevölkerung. Die
offenkundige Unterstützung des Militärs durch verschiedene ausländische Länder
tragen auch nicht zu dessen Popularität bei. Also kann der status
quo nur ein kurzer Zwischenschritt sein. Die Expertenregierung und der
Interimspräsident haben keine
demokratische Legitimierung und können bis zu den Wahlen an den tristen
sozialen und wirtschaftlichen Problemen nichts ändern; deren Ruf wird also
tendenziell schlechter werden. Die Muslim-Brüderschaft hat trotz aller
negativer Kommentare ihre Organisation gefestigt und ausgeweitet, gleichzeitig
ist eine radikalisierte muslimisch-salafistische
Bewegung entstanden, die zur extremistisch-islamistischen Internationale zu
zählen ist und dies ist die direkte Folge des Militärputsches. Eine gemäßigte,
bürgerliche, demokratische Gruppierung gibt es nicht. Wer also sind die
vernünftigen, gemäßigten, demokratisch-gesinnten Gesprächs- und
Kooperationspartner des Westens in Ägypten? Es werden in Syrien die
Brandfackeln für Ägypten gelegt. Auch in Ägypten sind es fast ausnahmslos
sunnitische Gruppen, die die Politik der nächsten Jahre und vielleicht
Jahrzehnte prägen werden.
Und im Hintergrund steht das Menetekel: Fällt Ägypten,
fällte der gesamte Nahe Osten.
Dr. Peter Lüftenegger, 22. Juli 2013