Peter Lüftenegger, Editor
Libyen: Erst
denken, dann handeln
Man spürt es förmlich: Die Erregung steigert sich mit den
Bildern. Hier der blutrünstige Diktator. Dort das unterdrückte Volk. Da gibt es
nur eins: Intervention im Namen des Guten.
Doch mögen einige Überlegungen erlaubt sein:
- Soll
es wieder einmal eine Militärintervention unter den Fahnen der USA bzw.
der NATO ohne UN-Mandat geben, die sich nach wenigen Jahren als
politischer, militärischer, kultureller Fehlschlag erweist?
- Internationale
Organisationen streben eine Destabilisierung der Institutionen und
Strukturen in Libyen an, ohne einen Plan, eine Zielsetzung für die nähere
Zukunft zu haben.
- Niemand
kennt die genaue Situation in Libyen; sei es die Verankerung der
gegenwärtigen Führung in der Bevölkerung, sei es die Zusammensetzung und
Zielsetzung der „Opposition“.
- Niemand
kann zuverlässig die weitere Entwicklung einschätzen.
- Eine
interventionistische Militäraktion zum jetzigen
Zeitpunkt löst die internen Spannungen und Probleme nicht. Im Gegenteil,
sie würde zum jetzigen Zeitpunkt Gadafi und sein
Regime stärken.
- Politischen
Maßnahmen ist unbedingt Priorität einzuräumen.
- Die
NATO würde sich durch voreilige Schritte zum wiederholten Mal
kompromittieren und so ihre Existenz in Frage stellen.
- Ein
Angriff bedeutet neue Kämpfe, neues Leid und neues Töten.
- Sogar
begrenzte Operationen der NATO können eine große Gegenbewegung provozieren,
siehe Irak, siehe Afghanistan.
- Libyen
ist nicht weit von Europa entfernt; die deutlich angeschwollenen
Flüchtlingsströme werden so oder so nicht mehr abreißen.
- Eine
im Zusammenhang mit Kriegshandlungen stehende Zerstörung der libyschen Öl-
und Gasanlagen wird die Versorgung Europas nachhaltig beeinträchtigen.
- Die
europäische Finanzkrise wird durch eine Versorgungskrise weiter
verschärft.
- Eine
militärische Intervention wird die Beziehungen des Westens mit der
islamischen Welt weiter belasten und verschlechtern.
- Die
Position der radikalen Islamisten wird
gefestigt.
- Schnelle
Entscheidungen stehen in völligem Widerspruch zu vorsichtigen Strategien,
die es unter Einbeziehung aller Standpunkte und Interessen zu wählen gilt.
- Hauptziel
muss sein die Vermeidung von Gewalt; Stabilisierung der Lage und
Normalisierung der Situation der Bevölkerung.
- All
dies ist nur bei einer führenden Rolle der UNO bei der Bewältigung der
Konfliktsituation in Libyen möglich.