Der georgische Knoten

Man kann ein Land in die politische und ökonomische Sackgasse führen und dennoch überleben. Saakaschwili liefert den Beweis. Zwar neigt sich seine zweite Präsidentschaft dem Ende zu, aber er gibt sich alle Mühe, sein Überleben abzusichern. Bei allem Bemühen läuft er dennoch Gefahr, ein einsamer Mann zu werden.

Die Opposition spielt ihm teilweise in die Hände; zersplittert, ohne gemeinsame Strategie, ohne einigendes inhaltliches Band. So dürften die 20% Stimmen für den oppositionellen Alasania bei der Bürgermeisterwahl in Tiflis einigermaßen stimmen, auch wenn durchaus von Manipulationen ausgegangen werden kann.

Aber was macht der Präsident in der Zwischenzeit:

Er baut einen neuen Präsidentenpalast, eine kleine Kopie des Berliner Reichstages mit Geld, das weder er noch Georgien hat.

Er baut ein autokratisches Regime auf, das wenig mit herkömmlicher parlamentarischer Demokratie zu tun hat.

Er will mit Verfassungstricks seine gegenüber Parlament und Regierungschef dominante Position zumindest bis 2013 verlängern, um sich vor allfälligen Versuchen, ihn politisch und strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen, zu schützen.

Seine Freunde und Entdecker und Förderer im Umkreis der Republikaner in Washington sind derzeit auf Tauchstation. Er selbst ist auf deutliche Distanz zu Präsident Obama gegangen und hofft auf den politischen Umschwung. 2014 könnte es soweit sein, aber da muss er einige Jahre abwarten, oder er will als starker Regierungschef weiter die Fäden ziehen.

 

Umstritten ist auch die von der Regierung Ende Jänner verabschiedete Strategie zur Rückkehr der okkupierten Gebiete Abchasien und Südossetien als Teile von Georgien aufgrund des Gesetzes vom 23. Oktober 2008.

Beide Regionen fühlen sich allerdings nicht als okkupiert und lehnen eine Identifikation mit Georgien ab.

Sie wollen den Handel mit Georgien intensivieren und die sozialen Kontakte ausbauen, aber sie wollen dies als autonome Staaten machen und weisen die Formulierung „okkupierte Territorien“ zurück und halten diese Strategie für sinnlos.

Die Versuche staatsnaher Medien, die alleinige Schuld an der militärischen Konfrontation vor knapp einem Jahr den Russen zu geben, sind mehr oder weniger plumpe Inszenierungen, an denen in erster Linie Saakaschwili Interesse hat. Jedenfalls sind sie nicht geeignet, zu einer Annäherung zwischen den genannten Regionen und Georgien zu führen.

 

Die problematischen persönlichen Züge Saakaschwilis, Labilität, Jähzorn, Unausgeglichenheit, Unfehlbarkeit, missionarischer Eifer, scheinen wenig geeignet, um mit ihm als maßgeblichen Mitwirkenden zu einer Befriedung des Problems zu kommen. Mit einem Wort: Mit Saakaschwili bleibt das Problem Abchasien, Südossetien und Georgien noch lange ungelöst.

 

von Peter Lüftenegger, 1. Juni 2010